„MAISON BLANCHE/SWISS MADE“
Subtitel: Der Schweizer Designer Yannik Zamboni gewinnt die amerikanische Mode-Design Show „Making the Cut“, produziert und moderiert von Heidi Klum. Seither revolutioniert er die Schweizer Modeszene im Alleingang. Seine dekonstruierten, zum Teil abstrakten, genderfluiden Entwürfe werden klimafreundlich und nachhaltig mit innovativen Materialien hergestellt. Die fast ausschließlich weißen Stücke begeistern seitdem eine modisch offene Avantgarde.
Der extrem klare und aufgeräumte Schweizer verbindet typisch Schweizer Tugenden mit internationalem Underground. Eine unglaubliche Mischung!
Cyte: Erstmal ein Kompliment vorweg: Ich finde Deine Arbeit großartig! Cyte hat immer einen Teil im Magazin, der sich kritisch mit Mode beschäftigt. Deine Arbeit hat mich auf den ersten Blick angezogen, endlich eine differenzierte Perspektive, bei all dem, was sich in der Mode sonst so präsentiert. Ich tue mich schon seit einiger Zeit schwer mit dem, was da draußen passiert. Vor allem mit dem, was diese Luxushäuser machen. Und auch, wie Dinge vermarktet werden, wie Dinge verkauft werden, zu welchem Preis sie verkauft werden. Und es ist absurd. Ich liebe vieles, was auf den Laufstegen gezeigt wird, aber wenn man sich dann die Website ansieht, ist es gruselig. Zwischen dem, was man auf der Show sieht und dem, was man danach kaufen soll liegen Welten! Und vor allem verstehe ich immer noch nicht, dass ein T-Shirt 800 Euro kosten muss, mit einem Marken-Logo drauf. Das ist so… Aber beide sind dumm. Sowohl derjenige, der es kauft, als auch derjenige, der es verkauft. Das ist so zynisch und falsch!
YZ: Ich bin vor zwei, drei Wochen nach Wien geflogen, weil ich dort zwei Veranstaltungen besucht habe. Und Swiss hat es wieder geschafft, meinen Koffer zu verlieren. Wien war so kurz vor Weihnachten sehr überfüllt. Es war so voll und ich hatte genau anderthalb Stunden Zeit, um etwas Anständiges zum Anziehen für die Oper zu besorgen. Ich war im Jogginganzug geflogen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und ging zu einem Geschäft, in dem man alles finden kann, was man braucht. Ich ging in den Balenciagashop und die Preise waren verrückt. Ein T-Shirt kostet 990€, ein einfaches T-Shirt 990€! Alles kostet irgendwie 1.000€. T-Shirt 1.000€, Hemd 1.000€, Hose 1.000€, Schuhe 1.000€. Es hat nichts damit zu tun, wie hoch die Margen sind, wie hoch die Produktionskosten sind. Jemand stand eines Tages da und dachte: „Ah, lass uns 1.000 machen. Ach, oder 1.000 klingt ein bisschen schwierig, lass uns 990 für dieses T-Shirt machen. Aber ich kann nicht überall 990 haben, machen wir also auch 1040. Oder wir machen 980 Euro.“ Das ist so dumm.
Cyte: Ja, ich bin eigentlich ein großer Fan von allem, was Demna (Anm. d. Redaktion: Demna Gvasalia, Chefdesigner des Modehauses Balenciaga) macht. Und ich finde es auch gut, dass man die Dinge aus ihrem Kontext herausnimmt und woanders hinstellt. Was er oft in der Vergangenheit tat, mit den Bezügen zu Krieg und sein Aufwachsen in Georgien. Dass diese Normalität plötzlich eine andere Bühne bekommt und auf ein solches Podest gehoben wird. Dieses Konzept ist sehr interessant, auch im Hinblick auf das Marketing. Und natürlich ist die Provokation bei so einer Kollektion vorprogrammiert. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man einfach dasteht und denkt: Also null Designarbeit, die Produktion kostet etwa 30 Euro. Vor allem in diesen Mengen, aber dann dieses Preisschild…
YZ: Ich denke, es gibt noch einen anderen Punkt: interessante Dinge, die in einer Show gezeigt werden, aber aufgrund der geringen Nachfrage nie produziert werden. Denn wenn man von bestimmten Dingen nur kleine Mengen herstellen würde, dann läge der Preis bei 990. Das wäre der tatsächliche Preis. Wenn Sie nur wenige Stücke herstellen, dann kommen Sie auf diesen Preis. Dann hat man einen sehr schmalen Spielraum. Und dann macht man es nicht, oder die Großen machen es nicht, weil die Gewinne einfach zu gering sind. Deshalb so viel kommerzieller Kram, der am Ende in den Verkauf kommt – zu dem gleichen hohen Preis, aber in großen Stückzahlen …
Cyte: Erzähl uns ein wenig über Deine Pläne für dieses Jahr. Ich habe das Gefühl, nach all den Recherchen, die ich über Dich gemacht habe, nach diesem Sieg bei Heidi Klums „Making the Cut“, hast Du ziemlich viel Medienaufmerksamkeit bekommen. Ab Januar wird Deine Kollektion PRseitig von New York aus betreut werden. Was passiert sonst noch?
YZ: Ja, da ist einiges in der Pipeline. Vieles ist geplant, vieles kam ungeplant. Einerseits muss ich sagen, dass ich mich Ende Dezember entschieden habe, nicht mehr mit Amazon zusammenzuarbeiten. Mein Retail-Vertrag mit Amazon für die Marke „Maison Blanche“ wurde so abgeändert und unattraktiv gestaltet, alle Risiken wurden auf mich geschoben, so dass ich mich entschieden habe nicht mehr weiter mit Amazon zu arbeiten. Meine Co-Brand „rare/self“ wurde seitens Amazon beendet.
Und das bedeutet, dass es für dieses Jahr wirklich eine komplette Umstrukturierung gibt. Wir werden ein Crowdinvesting betreiben, um weiterhin produzieren zu können. Wir sind aber auch darauf angewiesen, Anteile zu verkaufen und neue Fans zu gewinnen. In der Pipeline ist das Parfum. Wir haben Parfums produziert und jetzt sind sie auch marktreif, würde ich sagen. Die kommen sicher dieses Jahr! Parfums! Wir arbeiten mit einem Schuhunternehmen oder mit verschiedenen Schuhherstellern zusammen, um Schuhe zu produzieren. Und dann würde dieses Jahr noch die erste komplett eigenständige Kollektion erscheinen. Was natürlich hochwertiger sein wird und im Preissegment der großen Luxushäuser liegen wird. Aber nicht wegen der riesigen Marge, die darauf steht, sondern weil die Produktionsmenge viel kleiner und viel nachhaltiger beschaffen ist und entsprechend produziert wird.
Cyte: Vor zwei Ausgaben haben wir eine Geschichte über einen Deutschen in Paris gemacht, über Lutz Hülle …
YZ: Lutz Hülle hat übrigens an meiner Bachelor-Thesis als Gastjuror fungiert und meine Abschlussarbeit bewertet.
Cyte: Ich hatte ein tolles Gespräch mit ihm. Was mir an ihm gefiel war, dass er natürlich Frühling/ Sommer, und Herbst/Winter Kollektionen macht, aber so wie ich es verstanden habe, denkt er das nicht als Kollektion, sondern betrachtet seine Arbeit wie eine „Garderobe“. Und er sagt, er erweitert diese Garderobe, ergänzt und fügt hinzu, und er schaut sich an, was er letzte Saison gemacht hat, was falsch oder nicht so gut gemacht wurde, oder was noch fehlt und so weiter. Und das habe ich tatsächlich als einen guten Gedanken empfunden, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit usw. Es ist letztlich so, wie es jeder zu Hause macht. Niemand (hoffentlich) ändert jedes Jahr seine komplette Garderobe. Manchmal wünschte ich, ich hätte Dinge zweimal gekauft, weil ich sie so schön finde. Und danach waren sie nicht mehr da und man bekam sie auch nicht wieder. Bei dieser „Garderoben“ Herangehensweise ändern sich die Dinge viel langsamer und liebgewonnene Teile bleiben viel länger erhältlich. Deshalb denke ich, dass es sinnvoll ist, nur etwas Neues zu zeigen, wenn es wirklich eine interessante Erweiterung der bestehenden „Garderobe“ ist und nicht nur weil eine neue Saison ansteht.
YZ: Das ist auch Teil unserer Werte. Teile, die überhaupt nicht konkurrieren. Eigentlich ist es als Erweiterung gedacht. Wir sind auch komplett saisonfrei, würde ich sagen. Ich habe noch nie öfter als einmal im Jahr gezeigt, das werde ich auch zukünftig nicht tun. Dafür ist der Aufwand zu groß, das Ganze zu kostspielig. Aber ich finde schon, dass die Kollektionen miteinander harmonieren sollten, damit man sie zusammen tragen kann und man genau das hat, was Lutz gesagt hat, eine Garderobe, die ständig wächst und in der Dinge ausgetauscht oder verbessert werden. Es kommt auch sehr oft vor, dass ein Teil weggenommen wird, das war ein schöner Teil, aber man konnte vielleicht ein oder zwei Dinge verbessern oder korrigieren und dann ist das erledigt. Viel mehr als der Versuch, um jeden Preis etwas Neues zu machen oder etwas zu verändern. Denn was dann passiert ist, dass man aus einer weiten Hose eine Röhrenjeans macht und diese dann hin und her rutscht. Die Produkte konkurrieren nicht miteinander, sie sollen sich gegenseitig ergänzen.
Cyte: Gehst Du tatsächlich nach New York oder woanders hin?
YZ: Ich muss sagen, was ich bei meinem kleinen, aber noch sehr jungen Team gemerkt habe, ist, dass ich vor Ort sein muss, damit es funktioniert. Wir sind noch nicht so groß, und wir haben keinen CEO oder sonst jemanden, der allen auf die Finger schaut. Das bin immer noch ich. Und ich habe gemerkt, dass die Dinge nicht so reibungslos laufen, wie sie sollten, wenn ich zu lange weg bin. Und deshalb sehe ich Zürich als unseren Hauptstandort, weil ich hier wohne und es mir gefällt, hier zu sein. Ich würde einen Auslandsaufenthalt nicht ausschließen. Manche Dinge sind im Ausland einfacher. Wenn Du in einer Modemetropole wie New York oder Paris bist, dann haben sie die richtigen Mitarbeiter, die schwirren da einfach um dich herum. In der Schweiz sucht man nach guten Mitarbeitern sehr hart und lange. Es wollen zwar viele in die Branche, aber halt zu den schweizer Bedingungen. Und obwohl wir relativ hohe Löhne zahlen, was ich wichtig finde, ist es schwer, die richtigen Leute zu finden.
Cyte: Könntest du nicht Deine Shows in Paris oder New York zeigen, aber Deinen Sitz in der Schweiz lassen?
YZ: Ja, ich habe zweimal auf der New York Fashion Week gezeigt und fand das großartig. Ich denke, ein großes Ziel wäre es, auf der Paris Fashion Week auszustellen und trotzdem den Standort in der Schweiz zu behalten. Denn im Ausland kann man unglaublich schmutzige Löhne zahlen. Das geht in Zürich mit dem Mindestlohn nicht mehr. Natürlich kenne ich auch viele Designer in der Schweiz, die ihre Praktikanten nicht bezahlen, aber ja, das sind Werte von mir, dass jeder, der für mich arbeitet, bezahlt wird. Die Praktikanten werden alle bezahlt. Es hat mich sehr gestört, als ich das Praktikum gemacht habe, weil man sich drei bis sechs Monate lang zu Tode gekämpft hat. Ich habe viel zu einer Kollektion beigetragen und musste dann selbst sehen, dass ich die Zeit in einer sehr teuren Wohnung in London irgendwie überstehe.
Cyte: Mit wem hast Du zusammengearbeitet?
YZ: Ich war bei Feng Chen Wang, einer chinesischen Designerin in London. Sie war auch am Royal College of Arts.
Cyte: Es ist schrecklich. Ich denke, das ist ein ganz eigenes Thema wie Praktikanten bezahlt werden. Man hat das Gefühl, dass es in dieser Hierarchie wirklich nur eine Handvoll Leute gibt, die absurd viel verdienen, und der Rest … Also wenn man sich das anschaut … Mich würde sehr interessieren, wieviel das Design-Team von Pharrell Williams im Vergleich zu ihm bei Louis Vuitton bezahlt bekommt. Wenigstens hat er sie gezeigt am Ende der Show. Wie riesig das Team war!
YZ: Und wie teuer all die Celebrities sind, die dafür bezahlt werden, in der ersten Reihe zu sitzen. Das ist mittlerweile völlig absurd. Meine PR-Agentur hat mich auch gefragt, wie hoch das Budget für Influencer und VIPs ist. Und ich sagte, das Budget ist und bleibt null. Genau null. Es kommen die Menschen, die sich für das interessieren, was ich tue. Und wenn es VIP-Promis sind, dann finde ich das großartig und schön. Und ansonsten werden die Plätze von den Leuten besetzt, die die Sachen danach kaufen wollen, die Fans davon sind. Ich zeige ihnen das lieber, als mich dumm und dämlich zu zahlen, sodass irgendwelche Influencer kommen, die überhaupt keine Ahnung haben. Und zweitens schätzen sie es vielleicht nicht wie alle anderen. Und das Tragische daran ist, dass alle Nachrichten, alle Redakteure nicht mehr wegen der Show kommen. Sie kommen wegen der ersten Reihe. Und das erste, was sie fragen ist, welche Prominenten zur Show kommen, welche Influencer auf der Show sind. Und nicht, was in der neuen Kollektion gezeigt wird und was dahinter steckt. Das ist heute nicht mehr die grundsätzliche Frage aller Redakteure.
Cyte: Ja, das ist wirklich wahr… das spricht mir sehr aus dem Herzen, denn irgendwo ist dieser Modezirkus falsch abgebogen.
YZ: Ja absolut. Deshalb freue ich mich wahnsinnig, dass zum Beispiel jemand wie das Paper Magazine zurück ist. Ich würde sagen, sie gehören zu den wenigen, die sagen: Ja, wir lieben es. Sie haben auch ein Foto von meinem Halloween-Editorial gemacht, meinem Look für Heidis Party. Das haben sie als Editorial veröffentlicht. Aber irgendwo ist es unglaublich schwierig, selbst mit einem super gut gemachten Editorial. Und ich meine, das Magazin muss dafür keinen Cent bezahlen. Aber da überhaupt reinzukommen, ein bisschen gefördert zu werden, das ist unheimlich schwierig.
Cyte: Es ist für uns alle das Gleiche. Das muss man so sehen, Du bist wie eine Indie-Band. Man muss auf jedem Festival spielen, auch wenn auf jedem Festival nur 50 Leute sind. Die Fangemeinde muss wachsen. Aber wenn ich Deine Kollektionen im Vergleich sehe zu dem was z. B. häufig auf der Berliner Fashion Week gezeigt wird, dann ist das dort wirklich ein Trauerspiel.
YZ: Ich war letztes Jahr dort und ich war wirklich enttäuscht. Alle sagten mir, Berlin sei verrückt, geh zur Berlin Fashion Week, da gibt es seltsame Künstler, so wie die als du an der Kunsthochschule gearbeitet hast. Und dann war es in dieser Mercedes-Benz-Scheißhalle. Tragisch, tragisch, ich langweilte mich zu Tode. Um dann noch ein paar Looks zu sehen, die keinen interessieren, von jemand, der eine zweijährige Schneiderausbildung macht, sich selbst nicht stylen kann, das hat mit Design nichts mehr zu tun. Es war einfach sehr, sehr langweilig.
Cyte: Berlin hat überhaupt kein Gespür für Mode. Und das wird wahrscheinlich auch nie der Fall sein. Denn die Stadt hat andere Qualitäten. Und ich denke, Berlin sollte sich wirklich von dieser Fashion Week verabschieden. Weil es einfach nicht funktioniert. Subkultur, Underground, alles ist großartig, aber jetzt eine Fashion Week im klassischen Sinne, wie man es von Paris, New York kennt… selbst London, was eher experimenteller ist, ist modischer und viel innovativer als Berlin.
YZ: Es gib ein paar Designer in Berlin die ich gut finde: Mir gefällt die Ester Perbandt sehr gut und ich finde ihre Sachen cool. Und Namelia war großartig. In Sachen Diversität und Mode.
Cyte: Deine Kollektion ist genderfluid…
YZ: Genau.
Cyte: …was mir gefällt. Aber ich möchte trotzdem darüber reden, weil es mittlerweile einige solcher Kollektionen gibt und ich da Unterschiede sehe. Außerdem beschleicht mich das Gefühl, dass Dinge aus Marketinggründen als „genderfluid“ bezeichnet werden. Aber eigentlich ist das Design nur theatralisch und billig. Ich denke ein bißchen an Nina Ricci unter der Creative Direction von Harris Reed. Der sehr, sehr laut über sein „genderfluides“ Design gesprochen hat und damit auch viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Aber ich war ehrlich gesagt sehr enttäuscht von dem, was er gezeigt hat. Es war eine Worthülse, die er nicht mit Inhalt gefüllt hat. Ich hatte das Gefühl, dass es nur ein Witz war. Red carpet Looks, die einfach nur aus der Zeit gefallen waren, dramatisch ohne Poesie. Wie kam es dazu, dass Du auch in diese Richtung gehst?
YZ: Grundsätzlich begann es damit, dass ich mich darauf konzentrierte, Damensilhouetten und Damenbekleidung an einem Mann zu präsentieren. Aber ich versuchte auch, alles zu präsentieren, was man als weiblich empfindet, zu ändern. Angenommen man geht von einem Tüllrock aus, was muss man daran verändern damit sich darin ein Mann auch wohl fühlt? Mir ist dann aufgefallen, dass wir bestimmte Materialfarben mit einem Geschlecht konnotieren und ich fand das falsch! Tüll mit einer Frau zu konnotieren. Rosa mit einer Frau zu konnotieren. Bei meinen Recherchen habe ich gemerkt, dass viele Sachen anerzogen sind – dass Jungs in hellblau gekleidet werden und Mädchen in rosa. Schon im Kindesalter wird da eine Separierung gemacht, was männlich und was weiblich ist.
Und ich wollte das mischen, ohne etwas super Feminines an einem Mann zu zeigen, sondern eher um zu beweisen, das ein Rock nicht nur super feminin sein muss, ein Kleid nicht super feminin sein muss. Ich habe z. B. angefangen alle Umhänge, Kleider und Schleppen, die von einem Mann in der Kirche getragen werden in eine Männer Kollektion einfließen zu lassen, ohne dass es sehr biblisch rüber kam. Um zu zeigen, dass ein oversized Trench mit nichts darunter nicht viel anders ist als ein Kleid. Also ich habe angefangen Röcke und Kleider für Herren zu machen, bis auf einmal Frauen gesagt haben, das können wir doch auch anziehen. Und plötzlich habe ich gemerkt es spielt überhaupt keine Rolle, welches Geschlecht darinnen steckt. Ich habe dann Klamotten modifiziert für verschiedene Körperformen, aber nicht für verschiedene Geschlechter.
So, hat das alles begonnen.
Cyte: Wie so viele andere Labels hast Du Dir auch das Thema Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben. Wie läuft das bei Dir?
YZ: Einer der Gründe, warum ich eigentlich die Schweiz als Hauptsitz nicht aufgeben möchte, liegt
darin, dass es hier eine Menge kleiner Firmen gibt, die innovative Lösungen entwickelt haben um Materialien, Verpackungen, Klebstoffe etc. umweltfreundlicher zu gestalten. Ich bin hier fest in einer Szene verankert, die sich mit diesen Themen permanent beschäftigt und musste lernen
wie viele Aspekte es zu berücksichtigen gilt, bis ein Produkt wirklich komplett nachhaltig ist und nicht nur green gewasht ist. Selbst bei einem simplen T-Shirt gibt es 5-6 Dinge, die alle wichtig sind: das eigentliche Material, die Veredelung des Materials, das Garn, der Waschzettel, das Etikett und schließlich die Verpackung. Bei allen muss man prüfen, wie gut es um die jeweilige Klimaneutralität bestellt ist. Noch komplexer wird es, wenn noch Knöpfe, Futterstoffe, Reißverschlüsse etc. mit ins Spiel kommen. Und da sind wir hier in der Schweiz sehr gut aufgestellt. Ich fürchte in anderen Ländern wird das nicht so konsequent gehandhabt.
Cyte: Gibt es Vorbilder für Dich in der Mode? Bzw. was inspiriert Dich?
YZ: Ich mag Martin Margiela, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto. Was meine Inspirationen angeht, schöpfe ich eher aus sozialpolitischen Themen, als aus Kunst oder Architektur. Ich habe die Abholzung des Regenwalds als Thema für eine Kollektion gehabt oder habe das Thema von sexualisierter Gewalt/Vergewaltigung in Form von Etiketten aufgegriffen. Da habe ich drauf geschrieben: „Do not wash, if you’ve just been sexually assaulted. Your clothes hold crucial DNA evidence. Do not wash this piece of clothing, put it in a paper bag and bring it to your nearest police station for the securing of DNA of the perpetrator.“ Das war mir ein wichtiges Anliegen. Bei meiner amerikanische PR hat das riesige Diskussionen ausgelöst und ich musste große Überzeugungsarbeit leisten damit das da stehen bleibt.
CYTE: Die Amerikaner sind einfach sehr bigott, was Sexualität angeht.
Du hast selber mal als Modell gearbeitet, hat Dir das irgendwie geholfen, als Du Designer wurdest?
YZ: Nicht direkt. Ich hatte natürlich durch das Modeln ein gewissen Einblick in die Branche, aber am meisten hat es mir geholfen, als ich meine ersten eigenen Model-Shootings gemacht habe. Ich habe ein anderes Verständnis für die Menschen, die vor der Kamera stehen. Kann leichter nachvollziehen, wenn sie sich vielleicht unwohl mit einem Outfit fühlen, habe einfach Respekt vor den Leuten.
Cyte: Was war der beste Ratschlag, den Du je bekommen hast?
YZ: If you really want to succeed, have no plan B!
Photograph: Stephan Ziehen
Portrait: Bon Wongwannawat
Hair+Make-Up: Lisa Neubacher@Bigoudi
Models: Jill Deller@M4 models
Kelechi Onwuka@Modelwerk