Ich habe etwas gemacht, was ich bisher nicht gemacht habe: ich habe andere Rezensionen gelesen, bevor ich diese, meine eigene schreibe. Alle, die ich finden konnte.
Wenn ich die alle vor dem Lesen des Buches gelesen hätte, hätte ich das Buch nicht gelesen, nicht gekauft. Super uninspirierend, allesamt. In den Nullerjahren hätte man gesagt “megaboring”.
Ich weiß, dass es wirklich schwierig sein kann, Bücher zu “fassen”, und es einem bei weitem nicht immer gelingt, alle Lesenden mit der eigenen Rezension dahin zu bringen, ein Buch zu lesen, mag man noch so begeistert sein. Aber dennoch sollte das doch das Ziel sein? Es sei denn, man will dringend davon abraten, ein Buch zu lesen. Soll auch vorkommen.
Und wenn ich nun meinen nachfolgenden Erguss (so genannt “Rezension” dieses Buches) mit der nächsten Aussage prophetisch vorbelasten mag, schreibe ich es dennoch: Wie langweilig kann man eine Rezension schreiben, wie uninspiriert kann man über ein Buch schreiben, so dass jedem Lesenden die Augen zufallen müssen und man nie im Leben auch nur im Traum daran denkt, sich dieses Buch zu kaufen – zumindest um es zu lesen, wenn man nicht zu der Sorte Mensch gehört, die Bücher kauft, um sie im Regal stehen zu haben, aus welchem Grund auch immer? Bevor ich es mir, dem Lesendem und auch dem Buch und damit der Autorin, dem Autor antue, eine öde, lustlose Rezension zu schreiben, lasse ich es bitte lieber sein! Und bitte hört auf, Euch in Euren Texten als “Die Lesende”, “Der Autor” zu betiteln, das ist so unsäglich abgehoben, distanziert und verräterisch.
Dies gesagt, versuche ich mich an der kreis des weberknechts. Es fällt mir schwer, dieses Buch zu “fassen”.
Dabei ist es nicht kompliziert und – wie sich alle Rezensenten einig zu sein scheinen – ist der Inhalt schnell erzählt, man lese den Klappentext. Dies eine stenoartige Zusammenfassung: Es geht vordergründig um einen Mann. Mann zieht sich zurück, um Buch zu schreiben, will keine Ablenkung, mag keine Menschen, braucht keine Menschen, schon gar keine „Frau an der Seite“. Nachbarin lässt Interesse an Mann erkennen, nähert sich stetig. Mann zunächst ablehnend, fühlt sich gestört. Erkennt dann nach und nach die Vorzüge der Aufmerksamkeit, nutzt diese gnadenlos aus. Sie trennt sich (rechtzeitig). Er tief verzweifelt, letztlich ob der verlorenen Aufmerksamkeit (das meine ich übrigens mit “uninspiriert” und reihe mich damit in die oben gescholtenen Rezensentinnen und Rezensenten ein).
Es geht bei diesem Buch aber um das WIE, nicht um das was. Und das WIE macht dieses Buch so unglaublich lesenswert. Ana Marwan gelingt es mit tollen Worten, mit schlauen Gedanken und philosophischen Schlussfolgerungen, ergo einer herausragenden Sprachgewandtheit, aus einem total simplen Plot, einen wirklich schönen, andauernd unterhaltsamen, äußert humorvoll-ironischen Text zu machen. Ich habe so viel geschmunzelt, so viel die Männer verlacht, mich dafür so geschämt. Mitleid empfunden mit dem Mann an sich, diesen einen im Speziellen als so klein und peinlich empfunden, mich für ihn geschämt, für seine Arroganz, für seine Überheblichkeit, sein Unvermögen, sich selbst (und andere) wirklich zu sehen und damit DIE Chance zu vergeben, eine wertvolle, aufrichtige, schlaue, lustige, in sich ruhende Partnerin haben zu können. Um sich dann nicht erkannt, nicht wertgeschätzt in seinem Selbstmitleid zu suhlen, die Schuld in der anderen und auf keinen Fall der eigenen Person zu finden. Herrjee, wie sehr kann man (Mann) sich selbst im Weg stehen!?
Dieser Mann, der nur um sich selbst kreist, sich als Misanthrop bezeichnet, damit immer eine Entschuldigung parat zu haben, um anerkannt, ja offiziell diagnostiziert anecken zu können, erregt zunächst Mitgefühl, dann Groll und dann Gleichgültigkeit, weil einfach langweilig auf Dauer. Vielleicht hatte er schlicht recht damit, sich zurückzuziehen und niemanden mit seiner Existenz auf die Nerven zu gehen – dann gäbe es allerdings nicht dieses wundervolle Buch. Vielleicht lesen sich ja seine Texte gut? Sein Wesen ist nicht ertragbar.
Ich könnte noch mehr von mir preisgeben, indem ich mich weiter errege, meine Interpretation hier fortspinne, wegdrifte von Ana Marwans Roman, mich an Männer erinnernd, denen ich begegnet bin und die mich mit ihrer Ichbezogenheit zur Weißglut gebracht haben. Schnell waren sie eben langweilig und ich habe mich rechtzeitig entfernt. Und es wäre ermüdend mehr dazu zu sagen.
Ich habe eine Notiz recht nah zum Anfang des Lesens gemacht: Wie viel von sich selbst steckt im eigenen Text, der eigenen Arbeit? Hier also: wie viel Ana Marwan steckt in diesem Roman? Wenn ich sie treffe, frage ich sie. Dann bin ich gespannt, wie sie spricht. Schreiben tut sie unheimlich.
Lies dieses Buch, es wird Dich bereichern – egal was Du bist.
Words: Henrike Heick