ANACKER

„Ich mach mich auf den Weg. Und hab mein Ziel erkannt. Vertrau dir selbst. Schenk dir Liebe und setz dir Ziele. Sogar der sehnlichste Wunsch verliert mit der Zeit an Wert, wie der Segen der Kirche. Also realisier ihn oder du wirst es bereuen. Weil eine Leidenschaft Leiden schafft, wenn man sie nicht verfolgt“

 

Anacker macht seit frühester Jugend Musik, deutschsprachigen Conscious Rap – seine Songs sind ehrlich und sehr persönlich. Vielleicht etwas kitschig, zu gefühlig? Vielleicht etwas einfach und platt? Oder einfach nur berührend? Das versuche ich herauszufinden und unterhalte mich mit Hendrik Anacker alias Anacker. Denn seine Texte schreibt er selbst – oftmals ein langjähriger Prozess. Was steckt also hinter Anacker und seiner Musik? Wer ist er und was treibt ihn an?

CYTE: Erzähl uns ein bisschen von dir – wer bist du, wo kommst du her, wann und warum hast du mit der Musik angefangen?

Anacker: Ich bin Hendrik Anacker, ich bin 28 und komme aus dem Ruhrgebiet. Witten, das liegt neben Bochum und Dortmund. Hier bin ich geboren und aufgewachsen.

Die Stadt ist bekannt für deutschen Hip-Hop. In der ersten Hochphase des deutschen Hip-Hop Ende der 90er Jahre gab es einige Crews aus Witten. Die Bekannteste ist Creutzfeld & Jakob, die viele Songs über die Stadt herausgebracht hat. Durch meinen großen Bruder bin ich in Kontakt mit der Musik gekommen. In erster Linie war ich also Hörer, fand das einfach cool. Mit 15 habe ich dann angefangen selbst zu schreiben. Und mit 16 hatte ich die ersten kleinen Auftritte in meiner Heimatstadt. Ich habe jahrelang hauptsächlich geschrieben, keine Songs veröffentlicht – weil ich die Texte oft nicht zu Ende geschrieben habe und einfach nicht weitergekommen bin.

Ich habe ziemlich lange gebraucht, um meinen beruflichen Weg zu finden und bin schließlich in Köln gelandet. Hier habe ich zwei Ausbildungen angefangen, beide aber nicht beendet. 2018 habe ich dann mein Studium angefangen, Ethnologie und Medienwissenschaften, und war damit glücklich. Ich hatte endlich wieder eine Basis, mit der ich zufrieden war im Leben… Und meine Songs fertig schreiben konnte und auch den Willen hatte, die Songs herauszubringen und häufiger aufzutreten. Seitdem bringe ich regelmäßig Musik heraus und stehe auch auf der Bühne.

CYTE: War das dann für dich ein nahtloser Übergang – hast du mit dem Schreiben dort angefangen, wo du damals aufgehört hast? Oder hast du dich neu erfunden, gänzlich neue Texte geschaffen?

Anacker: Im Grunde genommen habe ich nie aufgehört mit der Musik und dem Texten. Aber ich habe versucht, eine neue Arbeitsweise zu entwickeln, so dass ich die Texte auch zu Ende schreibe. Ich habe vorher wild rumgeschrieben, auf Papier, hier ein Heft, dort ein Zettel, da eine Notiz – ich hatte früher immer mein Reimbuch mit dabei. Das habe ich dann später zusammengetragen, aussortiert und digitalisiert. So sind dann ganz viele Songskizzen entstanden, die ich weiter aussortiert habe.

Dementsprechend sind auch auf meiner Debüt-EP, die ich letztes Jahr herausgebracht habe, viele ältere Texte, Fragmente und Zeilen.

„Für mich ist die Musik eine Sinnsuche, aber auch eine Suche nach Harmonie“

CYTE: Wie würdest du in deinen eigenen Worten deine Musik beschreiben? Was macht deine Musik aus?

Anacker: Ich beschreibe meine Musik als Conscious Rap. Sie ist sehr persönlich, ich erzähle über mich, meine Erlebnisse, meine Wünsche. Für mich ist die Musik eine Sinnsuche, aber auch eine Suche nach Harmonie. Ich versuche mein Leben in Harmonie zu bringen, sowohl musikalisch als auch thematisch.

CYTE: Suche nach Harmonie – das heißt, du hast Erfahrungen gemacht, die nicht harmonisch waren und die Musik ist für dich ein Werkzeug, diese wiederherzustellen?

Anacker: In meiner Jugend war Musik, gerade Hip-Hop, sehr wichtig für mich. Ich habe mich in vielen Texten und Erfahrungen wiedergefunden – das geht wahrscheinlich vielen Jugendlichen mit Musik so. Man hat eine Phase, in der man extrem und intensiv fühlt. So war das bei mir. Ich wollte das dann selbst auch so machen, umsetzen und weiterführen.

CYTE: Im Hip-Hop geht es häufig um dicke Autos, schnelles Geld, Frauen. Deine Lieder und Lyrics sind gefühlvoller. In manchen Augen vielleicht sogar kitschig, harmlos. War es für dich am Anfang herausfordernd, dass deine Musik nicht dem Hip-Hop Klischee entspricht? War das eine bewusste Entscheidung von dir?

Anacker: Ja das war eine bewusste Entscheidung. Ich hatte bestimmte Vorbilder. Und das waren in der Regel nicht die Gangsta-Rapper. Auch wenn ich Straßen- und Gangsta-Rap mag. Wobei es für mich ein Unterschied ist, ob man diese Musik gerne hört oder das Gesagte für gut erachtet. Natürlich muss man entscheiden, was man von sich erzählen und wie man sich präsentieren möchte. Denn ich gebe viel von mir preis, Gedanken und Gefühle. Das ist mir nicht immer leichtgefallen. Vielleicht war das auch der Grund, warum es so lange mit meinen Songs gedauert hat. Das ist schließlich auch ein Prozess, sich Schwächen, Krisen, Ängste und Zweifel einzugestehen. Und über solche Gefühle dann auch Songs zu schreiben. Anstatt zu sagen: ich bin der Geilste. Das ist viel leichter.

CYTE: Kannst du nochmal was zu deinem Schreib- und Kreativprozess sagen? Hast du fertige Songs, die dir dann am Ende doch zu persönlich sind?

Anacker: Ja auf jeden Fall. Ich habe einen Song, der handelt von meinem beruflichen Werdegang. Da hatte ich viele Probleme. Ich habe über die Jahre einen Song geschrieben und den dann irgendwann zusammengesetzt. Der heißt Mosaik – der Titel passt daher auch ganz gut. Ich fand den Song super, war mir aber nicht sicher, ob ich ihn herausbringen möchte, weil er sehr persönlich ist. Irgendwann habe ich mir gedacht, ok, ich spiel ihn live und warte auf die Reaktionen. Und das war dann der Song mit den besten Rückmeldungen. Viele haben gefragt: „Wann kommt der Song raus?“ Das war für mich eine positive Bestärkung. Und hat mich überrascht.

Words: Claudia Ippen

Photos: Anacker