WHAT IF….

 

Seit einigen Jahren dreht sich das Mode-Karussell immer schneller, die Zirkel der Kollektionen werden immer kürzer und scheinbar verlangt der Markt wöchentlich (!) nach Neuem. Ich rede jetzt von Designer Labels und nicht von Super-Fast-Fashion á la SHEIN und Co.

Obwohl ich versuche alle relevanten Designer Shows und Aktivitäten zu verfolgen, verliere auch ich leicht den Überblick. Es ist einfach zu viel, zu ähnlich und äääh, leider auch häufig zu langweilig. Keiner braucht das und von Ressourcen, Nachhaltigkeit etc. will ich erst gar nicht wieder anfangen. Also warum nicht einfach auf den Reset Knopf drücken und den ganzen Irrsinn stoppen?! Diese ganze menschenverachtende Maschinerie wieder auf ein erträgliches und nachvollziehbares Maß herunterfahren! Diese dunkle, hässliche Wolke, die seit Jahren über der Mode liegt, wieder vertreiben! Es wäre ganz einfach! Es gibt nur zwei große relevante Luxusgüter-Konzerne: LVHM und Kering, Monsieur Arnault und Monsieur Pinault.

Wenn die heute sagen würden, dass jedes ihrer Labels nur noch zwei Kollektionen pro Jahr zeigt, wäre die Welt auf einen Schlag ein besserer Ort. Es würden weniger Rohstoffe verbraucht, weniger Menschen sinnlos verschlissen und es wäre auch auf einmal wieder Platz für Ideen, für klare Identifikationen und eine wirkliche Marken-Identität. Dass so etwas möglich ist, hat John Galliano im Januar mit seiner Couture Show für Maison Margiela bewiesen (Maison Margiela gehört übrigens Renzo Rosso von der Diesel Gruppe). Er hat es mit seiner Show geschafft, der Mode wieder Identifikation und Wärme einzuhauchen. Man spürt die Liebe und Hingabe, die in diese Kollektion geflossen ist. Man wird in das Paris der 20er/30er Jahre versetzt mit seinen Nachtgestalten, Huren, Dieben und Gestrauchelten. Und auf einmal halten alle inne, auf einmal ist es nicht nur eine künstlich aufgeblasene PR-Maschinerie, die abgespult wird. Auf einmal ist es wieder Poesie. Ich hoffe, dass die überschwänglichen Reaktionen auch andere Labels ermutigen, wieder mehr Emotion und Wärme zu zeigen. Auch, oder gerade weil diese Show total die DNA von Galliano verkörpert und natürlich nicht durchgängig brandneu war. Aber es war die richtige Geschichte, zur richtigen Zeit, mit Hingabe erzählt. Und man gönnt John Galliano diesen Erfolg von Herzen, nachdem er vor 13 Jahren bei Dior rausgeschmissen wurde – weil er volltrunken mehrere Gäste eines Pariser Restaurants mit antisemitischen Aussagen beleidigt hatte. Am 1. März 2011 gab Dior die endgültige Trennung bekannt. Damit verlor er auch seinen Posten als Chefdesigner bei der Marke John Galliano. Galliano musste sich wegen des Vorfalls in Paris vor Gericht verantworten. Im Prozess sagte er aus, er habe unter enormem beruflichen Druck gestanden, immer mehr getrunken und Tabletten eingenommen. Am 8. September 2011 wurde er vom Pariser Strafgericht zu einer Geldstrafe von €6.000 auf Bewährung verurteilt. Galliano verklagte das Haus Dior nach seiner Entlassung auf €18,7 Millionen Schadenersatz, verlor den Prozess jedoch im November 2014 endgültig. Er wurde dazu verurteilt, Dior einen symbolischen Euro zu zahlen, ebenso der John Galliano S.A., die zwar seinen Namen trägt, aber zu Dior gehört. Der damalige französische Präsident François Hollande entzog dem Modemacher 2012 per Dekret den Titel Ritter der französischen Ehrenlegion, der ihm 2009 verliehen worden war (1).

Ich bin froh, dass er den mörderischen Mix aus Stress, Alkohol und Drogen offenbar losgeworden ist und in der Lage ist, seine Kunst mit so einer umwerfenden Show zum Leben zu erwecken.

 

 

 

 

 

PS… alle Welt redet gerade von AI. Die ersten Agenturen und Photographen präsentieren ihre mit AI generierten Arbeiten und wollen damit den Markt erobern. Vieles was ich sehe, ist entweder total glatt und perfekt, fast entmenschlicht oder zeigt Bildwelten, die es eigentlich schon immer gab, die aber bisher in der Fetischszene zuhause waren. Scheinbar ist das in der „Vorstellungskraft“ der AI-Generatoren, das denkbar Schrägste und Außergewöhnlichste, das sich von Computern (er-)finden lässt. Arme Welt! Wahrscheinlich nervt mich das deshalb so sehr, weil es einfach wieder nur eine neue Sau ist, die durchs Dorf getrieben wird und wieder irgendeinen Fortschritt suggeriert, den keiner braucht und der eher dazu beträgt, diese Welt noch schwerer zu verstehen, als sie ohnehin schon ist. Wenn die Wahrheit durch Fake News manipuliert und die Realität von AI verzerrt wird, werden wir uns bald nichts mehr glauben. Und statt ein bisschen mehr die HI zu fördern – Human Intelligence – säen wir immer mehr Misstrauen in die Welt.

Oder wie Will.i.am in einem  Interview sagte: es werden Milliarden von Dollar dafür ausgegeben um Maschinen smarter zu machen, statt ein bisschen davon auszugeben um Menschen ein bisschen schlauer zu machen und Ihnen mehr Zugang zu Bildung zu ermöglichen…irgendwie nicht so verkehrt, finde ich.

 

Quellen

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/John_Galliano