IST DIE ZEIT DER TRÄUMER VORBEI?

 

Erst Covid, dann Ukraine Krieg, Energiekrise, Inflation, Rezession, alles wird teurer.

Wo wird gespart? Bei den Kreativen, bei der Kunst, bei der Schönheit.

Werbeagenturen schließen, Photographen und Künstler leben von der Hand in den Mund.

Alle, die in diesen Branchen arbeiten, haben es gerade schwer. Klar, es gibt auch ein paar Gewinner dieser Krisen, aber um die geht es nicht in diesem Vorwort. Es geht um den Verlust an Bedeutung, um den Verlust von Anerkennung, um den Verlust unserer Lebensgrundlage.

Wie geht man damit um? Wie kann man das kompensieren? Wie kann man sich in einer veränderten Welt neu erfinden, wie kann man weiterhin an das glauben, was einen ausmacht bzw. ausgemacht hat, wenn es keiner mehr braucht oder zumindest nicht dafür bezahlen will?

Wir gehen nicht ins Büro, wir bekommen keine Aufgaben gestellt, die wir erfüllen. Wir schöpfen aus uns selbst, wir denken uns jeden Tag aufs neue aus, was wir machen. Jeden Tag stehen wir vor diesen weißen leeren Wand und versuchen sie zu füllen.

Wir sind bis zu einem gewissen Grad Einzelkämpfer. Jeder verhandelt seine Honorare allein, jeder durchlebt seine Flauten allein oder geht durch diese große Krise allein. Es wird nicht darüber gesprochen und wenn, wird es heruntergespielt.

Ich will gar nicht versuchen, die Selbstständigen zu „,organisieren“, aber ich glaube es würde schon helfen, wenn wir alle in der Branche ein wenig mehr darüber reden würden und nicht so tun würden, als wenn wir nicht gut genug und fleissig genug wären, um wenig oder keine Arbeit zu haben. Ich weiß, dass die Mode- und die Beauty-Industrie vom schönem Schein leben, aber wenn wir nicht aufhören, so zu tun als wenn alles ok ist, werden wir in Schönheit sterben.

Jeder klagt über die Verteuerung und zahlt dann doch den Preis. Nur bei uns scheint es ok zu sein, die Honorare permanent zu drücken, wir sind ja allein, da funktioniert das. Lieber für die Hälfte arbeiten, als gar nicht. Aber ist da wirklich so wenig Geld??? Eigentlich sind die Kassen bei vielen Firmen durch Corona gut gefüllt, macht die Luxus-Industrie immer noch Profitsteigerungen. Aber da wir uns offenbar daran gewöhnt haben, uns unter Wert zu verkaufen, wehren wir uns auch kaum. Wir scheinen gefangen zwischen dem Gefühl der Wertlosigkeit und dem der Überflüssigkeit.

Sich tolle Dinge auszudenken, eine Photoproduktion zu stemmen etc., das ist quasi selbstverständlich und somit wenig wert. Die grauen Buchhalter sind wichtiger geworden… siehe Monsieur Arnault, wie er bei der Louis Vuitton Show von Pharrell Williams regungslos und bleich neben Beyoncé und Jay-Z sitzt. Das schlecht bezahlte Design-Team macht die Arbeit und kreiert, Pharrell hält seinen Kopf hin und kassiert und Monsieur Arnault profitiert. Ja, ja ich weiß, das war schon immer so, aber leider wird die Diskrepanz zwischen allen Beteiligten immer krasser und wenn die Basis immer bedeutungsloser gehalten wird und in einer  immer teurer werdenden Welt ärmer wird, dann ist das halt eben nicht mehr ok!!!

Was mich bei all dem wirklich wundert ist die Tatsache, dass sich scheinbar immer mehr Leute von kreativer Arbeit, von der Modewelt und der Welt des Schönes angezogen fühlen, obwohl es immer weniger Jobs für noch weniger Geld gibt. Ich habe das Gefühl, das je mehr Menschen auf der Welt leben, desto mehr wird von allem gebraucht, weil jede Nische gehört und gesehen werden will und natürlich ihr eignes Konsumverhalten hat. Aber irgendwie geht diese Rechnung nicht mehr auf. Trotz dieses Mehr an Menschen und dem Mehr an Bedürfnissen und Begehren, bleiben immer mehr auf der Strecke und immer weniger können davon leben. Aber vielleicht klammere ich mich auch nur an alte Strukturen, die am aussterben sind und kann mich noch nicht mit den neuen Marktmechanismen anfreunden. Dennoch bleibt dieses ungute Gefühl ausgebootet zu werden. Unsere Arbeit scheint immer weniger Relevanz zu haben, als die der Buchhalter und Finanzjongleure. Irgendwie habe sie es geschafft, sich so zu positionieren, das sie wichtiger und wertvoller sind, als die Kreateure, der Produkte, die sie verkaufen.

 

Aber es ist nicht nur die Verschiebung der klassischen Medien – der analogen Welt zur digitalen Welt, die stattgefunden hat, sondern auch die Dauer unseres Begehrens hat sich verändert. Wenn man früher den zweimal jährlichen Shows entgegen gefiebert hat, wird man jetzt schon nach 2 Tagen ungeduldig, wenn man nicht etwas Neues geboten bekommt. Sowohl visuell als auch zum realen Kaufen. All die zahlreichen Designer-Labels, die es gibt, mit ihren unendlichen Unter-und Zwischen-Kollektionen, sind nichts im Vergleich zu den Ultra-Fast-Fashion Marken, wie Shein und Co. Aber irgendwann wird die Welt aus allen Nähten platzen und dann wird auch hoffentlich dieses traurige Kapitel der Modegeschichte vorbei sein.

Dass die meisten dieser „Neuheiten“ noch krasser kopiert oder recycelt sind als früher, scheint keinen zu stören. Hauptsache es sieht irgendwie anders aus als gestern. Hauptsache das Geschäft geht irgendwie weiter. Glücklicherweise ist davon nichts in Stein gemeißelt. Alles, was mir jetzt noch so bitter aufstößt, wird irgendwann vorbei sein. So wie dieser Krieg irgendwann vorbei sein wird und all diese Krisen sich wieder beruhigen. Im Augenblick müssen wir noch damit umgehen und darauf eingehen, aber irgendwann wird auch wieder ein kreativerer und mutigerer Geist herrschen – denn von dieser Veränderung schöpft sie am Ende – die Mode und auch das Leben.