HERE TO STAY!

Es geht in meinem Artikel weder um einen 20 Jahre alten Korn Song noch um ein Parfum von Naomi Campbell (14,95 € bei DM). Es geht um K-POP. Keine exzentrische Laune hysterischer Teenager. Sondern ein weltweites Phänomen. Das gekommen ist, um zu bleiben. Längst schon da ist!! Wir werfen einen Blick drauf.

 

Der Südkorea-Hype nimmt weiter Fahrt auf. Egal ob Kimchi oder südkoreanische Tapas, Parasite, Squid Game oder BTS – es führt einfach kein Weg dran vorbei. Squid Game wird zur erfolgreichsten Netflix-Serie aller Zeiten. BTS bringt drei neue Singles heraus, räumt bei amerikanischen Music Award Shows ab und zementiert ihren Ruf als erfolgreichste Boygroup der Welt.

Überall sehe und höre ich südkoreanische Lieder, Videos, Filme… Was hat es damit auf sich? Was steckt hinter dem popkulturellen Erfolg Südkoreas?


IST DAS REINER ZUFALL ODER GENIALES MARKETING?

 

Um das Phänomen K-Pop besser zu verstehen, lasst uns – in aller Kürze – zuerst einen Blick auf die Geschichte Südkoreas werfen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden 1948 die Machtverhältnisse in Korea neu verteilt: Im Süden wird die Republik Korea gegründet, als Gegenreaktion entsteht im Norden die Demokratische Volksrepublik Korea. Zwei Jahre später, 1950, beginnt der Koreakrieg. Der blutige Konflikt hält die koreanische Halbinsel drei Jahre in Atem, mit dramatischen Folgen. Rund drei Millionen Zivilisten verlieren ihr Leben. Wirtschaft, Industrie und Infrastruktur liegen am Boden. Südkorea gilt als eines der ärmsten Agrarländer der Welt.

In den 60er Jahren beginnt der wirtschaftliche Aufschwung – das sogenannte „Wunder vom Han-Fluss“. In Fünfjahresplänen werden in großer Geschwindigkeit verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Der Import wird eingeschränkt, der Export gefördert, es werden günstige Kredite erteilt und in bestimmte Wirtschaftszweige und Industrien investiert. Insbesondere in Technologie und Elektronik, später dann auch in den Kultursektor.

 

HALLYU?!

Ende der 90er Jahre beginnt die Koreanische Welle – „Hallyu“. Die Beliebtheit der südkoreanischen Pop-Kultur nimmt rasant zu. Sie wird zum Exportschlager – zuerst in China, Japan, Südostasien, dann auch in Indien. Startschuss für eine staatlich subventionierte und hoch professionalisierte K-Pop-Maschinerie. Eine Maschinerie, in der Telekommunikations- und Entertainmentkonzerne, Werbeagenturen, die Musik- und Modeindustrie sowie Kosmetiklabels perfekt miteinander verzahnt sind, mit ein und demselben Ziel: der weltweite Siegeszug der südkoreanischen Kulturindustrie.


OPPAN GANGNAM STYLE
GANGNAM STYLE OPPAN GANGNAM STYLE EH SEXY LADY OPPAN GANGNAM STYLE PSY, Gangnam Style

Schonmal von Seo Taiji And Boys gehört? Die dreiköpfige Band aus Seoul revolutioniert Anfang der 90er Jahre die südkoreanische Musikszene mit ihrem völlig neuem Style – ein westlich geprägter Mix aus Hip-Hop, Rock und Balladen mit koreanischen und englischen Texten und einem ausgelassenen Tanzstil. Ihre Songs sind völlig anders als die bisherigen heimischen Balladen und patriotischen Folk-Songs – und die jungen Südkoreaner lieben sie dafür! Ihr enormer Erfolg bringt die Musikindustrie zum Umdenken. Von nun an gilt es, ähnliche Bands mit einer jungen Fanbase auf den Markt zu pushen. Der K-Pop, wie wir ihn heute kennen, ist geboren.

 

 

2012 erscheint der Künstler Psy auf der Bild- und Tanzfläche. Sein Song „Gangnam Style“ schlägt durch wie eine Rakete und sorgt weltweit für Furore. Das Lied ist zeitweise das meistgeklickte

Video auf YouTube und landet in den amerikanischen Billboard Hot 100 – Premiere für einen südkoreanischen Sänger. Was macht den Song so unwiderstehlich? Er ist überdreht, laut, knallig, nimmt sich selbst nicht ernst. Und genau das ist sein Erfolgsrezept. Das Zusammenspiel aus Musik, Bild, Inszenierung, schriller Ästhetik und exzentrischer Choreografie befördert Gangnam Style an die Spitze der Charts. Und sorgt nicht zuletzt dafür, dass K-Pop weltweiten Durchbruch schafft und seinen Weg in den internationalen Mainstream findet.

 

This is for you (This is for you, for you)
You’re my dream (Ah, ah)
TWICE, 21:29

Aber das allein macht den Erfolg von K-Pop nicht aus. Wichtig ist die Nähe zur Fan-Community. Denn die Künstler wollen (sollen?) nicht als unnahbare Stars wahrgenommen werden. Sondern als Vertraute, wenn nicht gar Freunde. Sie halten ihre Fans über Social Media und Livestreams auf dem Laufenden, posten auf Instagram, TikTok oder YouTube. Viele Bands haben eigene Reality Shows, in denen sie private Einblicke in ihr Leben geben. So auch BTS. Fans können hautnah mitverfolgen, was ihre Stars essen und trinken, was sie auf ihren Reisen erleben, und in ihrer freien Zeit machen. Die Community kann vollständig eintauchen in die K-Pop-Welt, sie sind Teil von ihr – eine größtmögliche Identifikationsfläche entsteht. Die Grenzen von Intimität und Nähe werden aufgelöst und die verschiedenen Lebenswelten – Interpret und Hörer, aber auch Offline und Online – verschmelzen miteinander. Stars zum Anfassen, das ist die eine Seite der Medaille. Die große Vermarktungsmaschinerie dahinter, die andere. Ob als zahlungspflichtige „Behind the Scenes“-Inhalte, als partizipatives Mobile-Game oder als Kinofilm – die Nähe zu den K-Pop Stars gibt es nicht umsonst.

 

 

1 MILLIARDE STREAMS 700 MILLIONEN LIKES 60 MILLIONEN FOLLOWER

Echte Experten darin, mit ihren Fans zu kommunizieren, sind BTS. Sie sind außerdem die derzeit größte K-Pop Sensation. Und behaupten sich seit Jahren in den internationalen Musikcharts. Aber der Reihe nach.

BTS, was für Bangtan Boys oder Bangtan Sonyeondan steht und so viel heißt wie „kugelsichere Pfadfinder“, wurden 2010 gegründet, treten seit 2012 in ihrer finalen Besetzung auf und sind seitdem aus der internationalen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Zuerst eroberten sie Japan und das restliche Asien, ab 2015 dann die USA und Europa. Ihr Album „Love Yourself: Tear“ landet 2018 auf Platz 1 der amerikanischen Billboard Hot 100, gefolgt von weiteren Top-Platzierungen. Sie sind die erste koreanische Band, der das gelungen ist. Ab 2020 sind BTS auch endgültig in Europa angekommen. Ihr Album „Map of the Soul: 7“ erreicht sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien, Österreich und der Schweiz Platz 1 der Charts. BTS ist eine Band der Superlative – sie brechen die Rekorde von Michael Jackson und den Beatles, treten als erste K-Pop-Band im ausverkauften Wembley-Stadion auf, kollaborieren mit Stars wie Coldplay und Ed Sheeran, und bringen seit 2013 acht Studioalben und mehr als sechs EPs heraus. Ihre Reichweite ist enorm. Bei Instagram haben sie knapp 60 Millionen Follower, bei TikTok über 46 Millionen und 700 Millionen Likes. Ihre Single „Dynamite“ erreicht mehr als 1 Milliarde Streams bei Spotify. Von Anfang an haben sie es verstanden, auf Social Media aktiv zu sein und mit ihren Fans, die sich selbst die BTS ARMY nennen, eine enge Bindung aufzubauen. Und auch ganz offiziell sind sie Sprachrohr ihrer Generation – Südkoreas Präsident Moon Jae-in ernennt die Band 2021 zum „Sondergesandten des Präsidenten für zukünftige Generationen und Kultur“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

얌마 꿈은 뭐니 (뭐니)
얌마 꿈은 뭐니 (뭐니)
얌마 꿈은 뭐니 (뭐니)
꿈은 겨우 그거니

I WANNA BIG HOUSE, BIG CARS & BIG RINGS (UH)
BUT
사실은 I DUN HAVE ANY BIG DREAMS (YEAH) BTS, No More Dream

 

BTS, aber auch die erfolgreiche Girlgroup Blackpink, schreiben viele ihre Songs selbst. Und zwar nicht nur Gute-Laune-Lieder. Auch gesellschaftskritische Themen werden in ihren Texten behandelt, wie zum Beispiel das leistungsorientierte Bildungssystem Südkoreas. Überrascht? Ich auch! Sind doch die K-Pop-Stars selbst Teil des strengen Ausbildungsapparats und repräsentieren wie kaum Andere die „pali pali“-Kultur Südkoreas. Denn K-Pop ist ein knallhartes Business, hinter dem große Talentagenturen und Labels wie Big Hit Entertainment, SM Entertainment oder YG Entertainment (Gründer: Yang Hyun-suk von den Seo Taiji And Boys) stehen. Diese Agenturen sind Plattenlabel, Management und Produzent in einem. Das Wunschlosglücklich-Paket also? Auf jeden Fall ist es eine hochprofessionelle Kaderschmiede. Bereits in jungen Jahren werden Kinder gecastet und bekommen einen der begehrten Plätze als K-Pop-Trainee – der Beginn einer jahrelangen Ausbildung. Wer sich hier durchsetzt schafft es mit Anfang 20 zum K-Pop-Idol und wird meist Mitglied einer Boy- oder Girlgroup. Für Konzept und Songwriting sind Manager und Produzenten verantwortlich. Genauso wie für den Look und das Image der Band. BTS und Blackpink sind hier eine Ausnahme. Disziplin und eine hohe Produktivität sind das A und O – pali pali eben. Der Output? Mehrere Alben pro Jahr, Tourneen, TV-Shows, hochkarätige Werbedeals und und und. Vor allem in den letzten Jahren – mit der zunehmenden internationalen Bekanntheit von K-Pop – hagelt es aber auch Kritik. Die Rede ist von Knebelverträgen und Eingriffen in die Privatsphäre der Idols. Sie müssen unentwegt abliefern, sind strengen Regeln, einem konstanten Leistungsdruck sowie realitätsfernen Schönheitsidealen ausgesetzt. Es häufen sich Berichte über Missbrauch und Suizid – die tragische Kehrseite des bunten K-Pop-Business. Immerhin scheint sich was zu ändern. So müssen sämtliche Verträge mittlerweile von der Korean Fair Trade Commission (KFTC) geprüft werden. Einige Bands lassen ihre Verträge auslaufen oder versuchen, rechtlich gegen diese vorzugehen. Eine längst überfällige Emanzipation? Zu wünschen wär‘s.

BLACKPINK IN YOUR AREA
보란 듯이 무너졌어
바닥을 뚫고 지하까지 BLACKPINK, How You Like That

BTS und Psy sind euch ein Begriff. Seo Taiji And Boys kennt ihr jetzt auch. Aber wen gibt es noch da draußen? Lasst uns abschließend anschauen, wen ihr euch unbedingt anhören solltet.

BLACKPINK – Die vierköpfige Girlgroup zählt neben BTS zu den erfolgreichsten und international bekanntesten K-Pop-Bands. Sie waren Headliner beim Coachella-Festival und veröffentlichten zusammen mit Dua Lipa den Song „Kiss And Make Up“ – ein Riesenerfolg. Außerdem sind die Vier auch solo unterwegs. Hört mal rein: How You Like That, Kill This Love, DDU-DU DDU-DU

CHUNG HA – Chung Ha startete erst als Mitglied einer Girlgroup, dann ab 2017 als Solo-Künstlerin durch. Sie experimentiert mit verschiedenen Stilrichtungen, von Pop bis Latin, und kollaboriert mit Rappern wie CHANGMO und Guaynaa. Mit Letzterem hat sie eine spanisch-sprachige Version des Songs „Demente“ veröffentlicht. Hört mal rein: Gotta Go, Snapping, Dream of You

SHINEE – Die Boygroup ist ein alter Hase im K-Pop-Business und hat schon so

einiges mitgemacht. 2017 nahm sich eines der Mitglieder das Leben, ein Jahr später wurden drei von ihnen zum Wehrdienst eingezogen. 2021 feierten sie dann ihr Comeback mit dem Song „Don’t Call Me“. Hört mal rein: Marry You, Don’t Call Me, View, Replay

AESPA – Kaum auf der Bildfläche bricht diese Girlgroup bereits die Streaming-Rekorde. Was macht die Band so spannend? Sie treten mit Avataren auf und verbinden VR mit Real Life Unterhaltung. Hört mal rein: Black Mamba, Next Level, Savage

NCT DREAM – Achtung es wird kompliziert. NCT hat 23 Mitglieder. Noch! Denn die Besetzung der Band steht nicht fest, sie kann sich erweitern oder auch rotieren. Es gibt sogenannte Subunits, NCT Dream ist eine davon. Die Jungs sind zu siebt und haben 2021 ihr erstes Studioalbum „Hot Sauce – The 1st Album“ herausgebracht. Hört mal rein: BOOM, Hot Sauce, Hello Future

IU – Die 29jährige Künstlerin ist Multitalent und eines der bekanntesten und einflussreichsten Gesichter Südkoreas. Sie singt, schreibt Songs, moderiert und spielt in TV-Serien mit. 2021 veröffentlichte sie außerdem ihr fünftes Album „LILAC“. Hört mal rein: eight, BBIBBI, Celebrity

Auf den Geschmack gekommen? Dann schaut euch für diese und weitere Songs die Playlist auf Spotify an, unter: https://open.spotify.com/playlist/5R7gWztf6Hy0iwZ7Fu3SIL?si=e709a776179343fb