„Fabio Haebel / XO Seafoodbar“

Scholle, Austern, Sardinen, Kaviar und dicke Bohnen – we love

Fabio Haebel betreibt ein Restaurant. Nein, er betreibt zwei Restaurants und eine Weinbar. Eine der zahlreichen Besonderheiten: alle drei sind in der gleichen Straße: Paul-Roosen-Straße. In Hamburg. Also in direkter Nachbarschaft zum Kiez. Einmal um die Ecke gespuckt ist man auf der Reeperbahn. Das tolle daran: das stört überhaupt nicht. Denn dieser Teil der Paul-Roosen-Straße ist ein eigener Kiez. Und Fabio Haebel gehört hier einfach hin. Woanders soll – und will – er nicht sein. Auch wenn die Nachbarschaft nicht immer gleich mit allen seinen Ideen einverstanden ist. Wie zum Beispiel jetzt, immer noch in Corona-Zeiten, wenn er ein paar wenige Parkplätze zu (amtlich genehmigten) Sitzplätzen seines vorübergehend aus der Not heraus zum Burger-Kiosk umfunktionierten Restaurants Haebel macht. Aber um des lieben Friedens Willen und weil es einfach schmeckt, essen vermutlich selbst die (in anderen Fällen sicher meist zu Recht) besorgten Bürger ab und an einen Burger aus dem Haebel.

Das Haebel zieht – wenn alles klappt – ab 2021 für die Sommermonate nach Nienstedten, sozusagen in die Sommerfrische. Fabio Haebel verwandelt dort gerade eine alte Gewächshausanlage in ein lichtdurchflutetes Geschmackserlebnis. Da pflückt man die Tomate dann im wahrsten Sinne vom Strauch direkt auf den Teller.

Aber hier soll es vielmehr um die zuletzt eröffnete Herzensangelegenheit von Fabio Haebel (und CYTE) gehen: XO Seafoodbar. Sein zweites Restaurant. Es bietet, ebenso saisonal und regional betrieben wie schon das Haebel, eine wunderbar überschaubar aber vielseitige Auswahl an vermeintlich kleinen Gerichten. Á la carte. Fisch, Fisch, Fisch von Kopf bis Schwanzflosse oder vegetarisch. Vegan geht auch immer. Aber eigentlich liegt Fabio Haebels Küche die Französische zugrunde und da geht nichts ohne Butter. Dennoch, wer es lieber ganz ohne Tiere mag wird natürlich erhört.

Der XO Seafoodbar liegt dabei kein vielmal überlegtes Konzept zugrunde. Sie ist puristisch, emotional, von der Natur vorgegeben – immer freitags kommt die Liste vom Gärtner, was er am Montag erntet und was am Dienstag im Warenkorb liegt. Das kommt die Woche über auf den Tisch. Keine lange Planung. Das geht hinsichtlich des Fisches ohnehin nur bedingt, keine Seafood-Saison, der Sommer, keine Saison für Krustentiere. Und dann noch: der diesjährige Sommer ist verrückt, viele Stürme da draußen auf dem Meer, so dass die Fischer kaum raus können.

Eine feste Planung steht da also im Hintergrund, es kommt auf den Tisch, was es nunmal gerade gibt. Eins vorweg: es schmeckt immer geil. Wirklich! Highlights sind für uns das Sardinensandwich mit Zitrone, Schalotte und XO-Mayo, die wilden Austern – von Hand gesammelt – mit Verjus (mehr Glückshormon geht nicht, sie springen einen aus dem Bild heraus an)Romanasalat mit frischen Erbsen, Bohnencreme und Gurke, Schwertmuscheln mit Spinat und Velouté und letztlich das Sauerteigbrot mit Butter und Algenkaviar an der Seite – Achtung, das ist ein in sich eigenes Gericht, man versenke augenblicklich den Begriff Sättigungsbeilage zurück in seine Tiefen aus denen er hervorgekrochen kam. Merke: Fabios spürbar persönliches Unwort.

Es ist alles wirklich köstlich und alles von zergeht auf der Zunge, hat den richtigen Biss, explodiert im Mund, durchzuckt jeden Nerv, wirft zurück in die Kindheit bis schubst Jahre in die Zukunft ist dabei. Nichts auf der Karte lässt sich mit dem Attribut “klassisch” in Verbindung bringen. Gerichte werden im Team gemeinsam entwickelt, gemeinsam probiert – je nach Jahreszeitenangebot und den Eigenheiten der Natur, des Klimas. Als Gast wird man an mancher Stelle herausgefordert (Kopf und Leber vom Kabeljau) aber schon beim ersten Besuch versteht man, man kann sich fallen lassen und den Empfehlungen vertrauen. Das gilt also vor allem für die Gerichte aber selbstverständlich auch für den Wein – wozu hat man die eigene Cave à vin schräg gegenüber.

Ich muss es jetzt sagen, ich wollte es oben beim Straßennamen schon sagen, aber irgendwie passte es da nicht: Das ist genauso wie in Paris, genauso wie beim Clamato/Septime und beim Frenchie. Alles liegt in einem Radius von nur wenigen Metern nebeneinander. Man schlüpft von einem Genusstempel in den nächsten. Sooo super!!

Die einen haben ihre Clubs, ihr Berghain, wir haben unsere Restaurants, unsere

XO Seafoodbar.

Nun zum Wein. Fabio Haebel hält eine kleine aber feine Auswahl an Naturweinen in der XO Seafoodbar bereit. Jonas, hingebungsvoller, enthusiastischer Sommelier, holt auf Wunsch (oder weil er selbst kaum an sich halten kann) auch besondere Flaschen aus der größeren Auswahl in der Höhle. Einige geliebte Beispiele sind Gut Oggau & Meinklang aus Österreich, Labet & Bornard aus Frankreich und l‘Octavin & Jonas Seckinger aus der Pfalz – und viele sehr trinkbare Überraschungen. Wie also schon in der Küche, so wandelt sich auch die Weinkarte und immer wieder finden sich Flaschen, die sich schwer an anderen Orten finden lassen. Es lohnt sich Neues und scheinbar Merkwürdiges zu probieren, denn das feine Gespür für die Bedürfnisse, das Lesen der unausgesprochenen Gedanken der Gäste wohnt Haebels Team inne, so dass niemand – vorausgesetzt man mag diese Art der Restauration – unbefriedigt nach Hause geht, einfach nicht gehen kann. Das feine Gespür ist ein Faktor, das wohl den Erfolg von Fabio Haebel ausmacht. Ein Gespür für Menschen, wie man sie liest, was ihnen gut tut, was sie ausmacht. Er hat sensible Antennen. Erspürt, welche Erwartungen seine Gäste haben, fordert sie heraus ohne sie zu überfordern und erwirbt sich damit ihr Vertrauen.

Und aber auch das – weniger romantische aber nützliche – Gespür für das Geschäftliche. Er ist umtriebig, scheint kaum still halten zu können und schafft es, dabei eine Ruhe auszustrahlen, die einem vermittelt jetzt gerade im Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stehen – während er alles um sich herum im Blick behält. Er arbeitet fürs SAT 1 Frühstücksfernsehen, hat mehrere hundert Videos für die Plattform Chefkoch.de aufgenommen, nimmt einen eigenen Podcast (Verlängertes Wochenende, 14-tägig) auf, hat Bücher geschrieben, und früher war da noch das Catering für Bands. Er war mit ihnen auf Tournee und hat streckenweise für mehr als 180 Menschen am Tag gekocht. Unter anderem für DJ Bobo und seine Crew. Das hat nichts mit seinem Musikgeschmack zu tun. Es ging um Geld, um Spaß. Und dann ging es, wie so oft bei Fabio Haebel um die Menschen, die Personen, die hinter dem Künstlernamen stecken. Im Fall von DJ Bobo ein akribischer, unermüdlicher Arbeiter, der die Dinge zur Perfektion treibt. Andere Namen sind in unserem Gespräch gefallen, spannende bis absurde Geschichten wurden erzählt. Sie alle führen letztlich zum Restaurateur Fabio Haebel, der viel erlebt hat – mit Mitte 30 – und noch viel vorhat. Wie das oben erwähnte Summer-Haebel (wir nennen es einfach so), der temporäre Umzug des Haebel in die Natur, wenn alles klappt mit eigenem Backhäuschen. Darauf sind wir am meisten gespannt. Bis es soweit ist, gehen wir einfach weiter in die XO Seafoodbar und kosten sie in vollen Zügen aus.

 

 

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Auster

 

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Senf

 

Sport oder Sofa?

Sport, Schwimmen, oder vielleicht doch eher Sofa.

Credits:

Styling: Jo Kühmstedt

Hair+Make-Up: Kristina Heinisch@Bigoudi

Modelle: Oliwia + Matthew@M4 Models

Photograph: Stephan Ziehen

Text: Henrike Heick